Subway
Nach einem ruhigen Frühstück, diesmal ohne vorher zu joggen ziehe ich los. Ich muß anrufen. Ingrid, meine Schwiegermama, hat Geburtstag. Im YMCA wird mir geraten, eine Telefonkarte zu kaufen. Nachdem ich begriffen habe wie sie einzusetzen ist, ist es plötzlich total einfach. Gott sei Dank habe ich nicht vergessen, wie man nach Old Germany telefonisch durchkommt. 01149 und dann die Stadtvorwahl. Ingrid freut sich über den Glückwunsch und mit Bine kann ich noch etwas klären. Dann packe ich meine Sachen für walking downtown. Mit dem G-Train zum Court Square und dann weiter mit der 7 Downtown Manhattan.
An der Central Station will ich gerade umsteigen da trommelt ein unheimlich guten Bongospieler. Am Fuss hat er ein Tamburin und schlägt mit seinem Fuß und seinen beiden Händen einen irre schnellen Rythmus. Alle Umstehenden sind angetan und auch ich lege einen Dollarschein in die Sammelmütze. Marvin, wie er mir sagt, spielt, als ich ihn frage, für Ingrid um 11.00 Uhr mit Liveübertragung durchs Telefon hinter ihm an der Säule. Ein Geburtstagsständchen über tausende Kilometer.

Lexington Ave. Aus dem Subway kommend bestaune ich eine Yellowcap Welle auf der Avenue. Wie eine Taxiparade kommt es mir vor.

Ich habe den Plan ins MET zu gehen. Doch ich komme erst mal an einem Laden vorbei mit einem 70 Prozent Christmas Special. Also rein. Gerade ist ein Italiener hineingegangen und möchte ein Armband kaufen. Chris ist ein pummeliger Gay, der versucht mit viel tuntiger Aufregung ihm klarzumachen, dass es nirgends auf der Welt Armbänder gäbe, die länger als 16 inches wären. Ja er holt sogar ein Maßband heraus um den Beweis anzutreten. Der Italiener ist anstrengend. Er glaubt dem Profi nicht. Chris Umgang mit ihm ist filmreich, voller Aufplusterung. Zwischendurch verkauft er mir schnell die Ohrringe für Sabine. Sein schwarzer Angestellter ruft ihm zu ich käme aus Berlin. Chris:"Oh yeah, Berlin, Munich, Frankfurt my dear. I know them all." Dann bearbeitet er wieder den Italiener. Jetzt fragt der Italiener, dem die 16 inches erst nicht lang genug waren, ob man das Armband kürzen könne. Ich verschwinde. Das war Lexington Ave ecke 47. NY braucht weniger einen Touristenführer sondern eher gute Füße denn irgendwie ist überall etwas zu sehen und zu erleben. So kommt es mir jedenfalls vor. Ich wollte eigentlich zum Central Park. Auf dem Weg sind überall diese NY-Blicke. Die Fassaden spiegeln sich gegenseitig. Und auf den nichtspiegelnden Fassaden sind die freundlichen hellen Sonnenflecke der Spiegelfassaden zu sehen. Ich komme gerade zur 59en. Nach links geschaut sind die Bäume des Centralpark zu sehen. Aber ich schaue nach rechts und sehe etwas das nach Bruecke aussieht. Und tatsächlich, die Queens Bridge und eine Seilbahn. Tatsächlich ist auch diese Fahrt mit der geschenkten Metrokarte kein Problem. Was für ein Schauspiel. Die Brücke hat echte Rostprobleme. Vom Gerüstbau erinnert sie sehr an den Eifelturm. Sie ist die älteste der East River Brücken.

Die Seilbahn bringt uns zu Roosevelt Island. Die Sonne steht gegenlichtig, etwas ungünstig . Man sollte am späten Nachmittag diese Fahrt machen. Ich danke nochmals von Herzen dem Typ, der mir diese Metrokarte geschenkt hat. Sie ist wie ein Universalschlüssel für den Big Apple.
Bei Subway sitzend und das Daily spezial genießend, präpariere ich mich für das eigentliche Ziel des heutigen Tages. MET. Gerade will ich wirklich los, da grinst mich ein Friseur durch eine Schaufensterscheibe an. Wie sich dann später herausstellt, heißt er David. Hier wird kein Cape von vorn nach hinten gebunden, stattdessen muss man einen Kittel anziehen. David hat eine Arbeitserlaubniskarte an seinem Arbeitsplatz stehen in die die Bilder seiner Tochter und seines Sohnes eingesteckt sind.
Nachdem ich neu geschnittene Haare habe, die ich, was ich jetzt noch nicht weiß, ganze 4 Jahre lang nicht mehr werde schneiden lassen, gehts jetzt wirklich zum MET. Wirklich? Die Sonne senkt sich wunderschön in Richtung Untergang. Ich drifte ab in den Central Park. An der südöstlichen Ecke ist der Zoo. Von der Brüstung am Weg kann man in den Streichelzoo sehen. Ich lande auf einer der riesigen Wiesen. Leute dösen, schlafen, lesen, schmusen und spielen. Ich spreche einen Typ, so um die 30, an ob er für meine Videokamera mal seinen Football wirft. Bret erzählt, nachdem ich sage, dass ich aus Deutschland komme, er arbeite bei Bertelsmann. Ich gebe ihm meine Kopfhörer und spiele ihm Garfunkels NY-Song ein. Er erkennt ihn sofort und erzählt mir, wo Simon und Garfunkel das berühmte Konzert gespielt haben. Weit komme ich nicht.
Eine irre Rollerdisco zieht die Aufmerksamkeit vieler an. Ein Typ hat mitten auf dem Weg eine mobile Discostation aufgebaut und mixt live seine Sounds zusammen. Drum herum sind Leute mit Rollschuhen oder Rollerblades die tanzen. Ich kann nicht anders, hole die Videokamera raus und drehe 30 Minuten.
Es ist dunkel als ich dann doch das MET betrete. Ich brauche etwas bis ich begreife, dass man sich entscheiden kann für welchen Eintrittspreis man sich hier entscheiden kann. Ich bezahle nur den Grundpreis, als Sponsor mag ich mich nicht fühlen und der Dicke Apfel ist vom Subway abgesehen echt teuer.

Das MET. Das beeindruckenste ist, dass jeder Raum in seinem Design den jeweils ausgestellten Exponaten folgt.

Ein Raum mit einem unvollendetem El Greco. Es sieht nicht aus wie 17. Jahrhundert eher wie 19.

Bild mit vielen Bildern (rechts) Giovanni Paolo Panini 1691-1765. Irre. In einem Gemälde stecken Dutzende anderer drin.

Das Portrait von Chuck Close 1986-87, "Lucas" in Rastertechnik.
Durch Zufall finde ich ein sämtlich aus Intarsien bestehendes Kabinett. Dem Kabinett ist ein hoher Raum zugeordnet den niemand betreten kann. Er hat nur eine Aufgabe. Licht. Sehr hoch sind 2 Fenster angebracht und eines richtig mit Bleiglasrahmung als Nachahmung des Originalfensters oder es ist es sogar. Das Licht entspricht etwa einem Sonnenstand von 14.00 Uhr. Ich bestaune die Arbeit. Alle Elemente sind zentralperspektivisch gearbeitet. Jede Schattierung ist durch verschiedene Maserungen herausgearbeitet. Eine junge Frau betritt den Raum. Sie bemerkt mein Staunen und beginnt mir das gubbio studio zu erklären. Ich erfahre wie das holz für die intarsien bearbeitet wurde, wo der Punkt der Zentralperspektive liegt und werde auf inhaltliche Besonderheiten aufmerksam gemacht. Ich bedanke mich sie geht. Ich staune nochmal kurz und gehe dann auch. Oh, ich habe Sie für meinen Bericht nicht nach ihrem Namen gefragt. Der Wachmann zeigt mir die Richtung in die sie gegangen ist. Ich habe Glück und erwische sie noch. Ich stelle mich vor. Amy ist Kunstlehrerin und zeigt nach kurzem talk auf Zettel mit den Kunstobjekten in ihrer Hand, die sie noch besuchen will. Ein klarer Hinweis.
Auf dem Rückweg fahre ich dann doch nicht gleich ins YMCA, sondern bleibe in der Grand Central Station hängen. Eine bombastische Halle, 116 Gleise. Die Halle wirkt wie die Lobby eines Hotels. An den Stirnseiten Treppen die zu Galerien führen auf denen teuer gespeist werden kann. Eine Etage tiefer vieleicht ein Dutzend verschiedene Imbissstände. Der totale Gegensatz zum Prunk sind die Gleise. Hier ist es wie auf allen Bahnhöfen der Welt. Eben dreckig. Nach der üblich gewordenen"was ich gemacht habe" - Mail-Aktion in dem Café um die Ecke, gehe ich schlafen.