9.12.

Das Imperium schlägt zurück, oder 1:0 für China, allerdings ist es Eigentor. Im Rennen um die früheste Vergabe eines Friedenspreises hat China heute genau mit einem Tag Vorsprung gewonnen.

Einen Tag vor der Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo fahren wir zum Nobelhotel Beijing News Plaza auf Pekings Prachtstraße Chang An nur wenige Blocks vom Tiananmen, dem Platz des Himmlischen Friedens, entfernt. Vorgestern wurde eine Presseerklärung zur Verleihung des ersten Konfuziusfriedenspreises herausgegeben.Im vierten Stock ist Ein Saal gemietet

Bei der verleihenden Jury handelt es sich offiziell um eine Nichtregierungsorganisation. Komisch nur, dass die Mitglieder alle hohe Posten im Literatur- bzw. Wissenschaftsbetrieb Pekings haben. Er ist gerammelt voll. Nicht weniger als 27 Kameras stehen auf der einen Seite des üblichen ovalen Konferenztisches. Auf der anderen Seite sitzen die Jurymitglieder Auf der Nominiertenlisten standen illustre Namen wie Bill Gates, von dem man vermerkt er sei mit 40 Mrd. Dollar der reichste Mann der Welt, Jimmy Carter, Nelson Mandela und neben noch anderen unglaublicher Weise der von der Kommunistischen Partei erwählte Panchen Lama. Der Preis geht allerdings an den Taiwanesen Mr. Lien Chan. Wie es der Zufall so will ist die Vergabe heute. Wie es der Zufall ebenfalls will ist der so Geehrte nicht anwesend. Fünf Zeilen lang ist die Preisbegründung. Der Preisträger würde für seine Bemühungen um die Aussöhnung Taiwans mit dem Mutterland geehrt. Wortwörtlich heißt es, er habe wirksam den historischen Fakt demonstriert, dass die Patrioten beider Seiten der Straße von Taiwan (Wasserstraße zwischen Taiwan und VR China) sich in einer Weise nah seien wie Fleisch und Blut. Nun ist allerdings schon klar, wie der Geehrte den Preis betrachtet, denn als Spielball im Friedenspreisspiel hat er sein Bemühen sicher nicht verstanden wissen wollen.
Das Büro des Politikers ließ heute mitteilen, dass der Geehrte noch nie von einem Konfuziusfriedenspreis gehört habe und nicht vorhabe diesen anzunehmen. Es sei ganz allein Chinas Sache ob China einen Preis auslobe und an wen es diesen vergebe.

Die Veranstaltung nimmt absurde Formen an. Der Vorsitzende der Jury spricht wie auf einer Versammlung von Parteikadern. Seine Stimme ist propagandagestählt. Ab und zu beklatscht sich die Podiumsseite selbst, die Journalistenseite antwortet mit Kopfschütteln.
Hier ein Beispiel:
Auf die Frage eines Journalisten: "Glauben sie es ist in Ordnung Liu Xiaobo im Gefängnis weiter gefangenzuhalten?", ist die Antwort: Diese Frage habe nichts mit Frieden zu tun und sei damit nicht zulässig, übersetzt die Dolmetscherin.

Wie man zum Urteil über Liu Xiaobo stehe, wird gefragt. Die Geschichtsforschung werde diese Frage in 500 Jahren beantworten.
Im Verlauf der Pressekonferenz lösen sich klatschen auf der Podiumsseite und Kopfschütteln und Lachen auf der Presseseite ab.

Auf die Frage ob man nicht glaube, dass angesichts der Umstände dieses Konfuziusfriedenspreis niemand diese Juryentscheidung ernst nähme, ist die Antwort: Es ginge nur um Frieden und nur darum.

Dann kommt der Höhepunkt der Posse. Da der Preisträger nicht anwesend sei habe man sich entschlossen den Preis dennoch symbolisch zu vergeben. Ein kleines Kind wird hervorgeholt und schon hat die Kleine die Glasskulptur, die von meinem Platz aus wie Flipper aussieht und ein Paket in den Händen.

Wie sich später herrausstellt, ist es ein Notenbündel im Wert von 100000 Yuan. Schön wenn eine NGO in China so viel Geld zu verschenken hat.

Was für eine Posse, was für ein missglückter Versuch ein Gesicht zu wahren, dass die Regierung im Fall Liu Xiaobos schon längst verloren hat.

10.12.
Der Tag der Friedensnobelpreisverleihung. Nachmittags schauen wir zuerst bei der UN-Vertretung um die Ecke vom Studio vorbei. Mehrere Poliziefahrzeuge mit durch die verdunkelten Scheiben nicht sichtbaren, aber mit Sicherheit gelangweilten, Polizisten, sind geparkt.
Der Compount von Liu Xiaobo.
Mehrere Guards versperren uns den Zugang zum Hintereingang. Sie tun es passiv durch bloße Ansammlung vor unserem Kamerastandpunkt. Von hier aus drehen wir die Loggia der Wohnung, allerdings ist nichts zu sehen. Es weht ein kalter Wind. Der Compount liegt gar nicht schlecht. Ein Kanal ist nur 100 Meter von den Häusern entfernt und eine kleine Uferpromenade lädt zum spazieren ein. Einige ältere Männer am anderen Kanalufer finden Freude am Eisbaden. Ein Storch ist offensichtlich einem Käfig entflohen. Warum sonst sollte der Arme in der Kälte hier herumstolzieren. Seine Flugkünste jedenfalls hat er schon unter Beweis gestellt.

Zum Vordereingang. Mehrere Leute vom Nachbarschaftskommitee mit Armbinden ausgestattet patroulieren auf beiden Seiten der Straße als wir das erste Mal vorbeifahren. Wenden. Sie sind verschwunden. Offensichtlich ist die Entscheidung diese Demonstration der Wachsamkeit zu beenden, aus welchen Gründen auch immer eben getroffen worden. Drei Kamerateams sind schon da als wir dann doch vor dem Haupteingang aussteigen. Natürlich fragen wir ob wir das Gelände betreten dürfen und selbstverständlich wird es uns verwehrt. Probieren mussten wir es aber. Ein paar Passanten geben uns Vox Pops. Sie gehen, im Gegensatz zu Chinas Offiziellen, recht gelassen mit dem Thema um. Natürlich wissen sie Bescheid und natürlich unterstützt keiner die Nobelpreisverleihung. Der Mann mit der grünen Jacke macht sich eifrig Notizen, tut dann aber auch seine Meinung kund.

Am Ende ist außer uns nur noch ein Kamerateam übrig. Sie müssen eine Liveschalte machen. Für wen habe ich vergessen zu fragen. Und so bleibt das vorsorglich abgesperrte Presseareal leer.

Wochen der Unruhe, der trotzigen Worte seitens der Regierungssprecher, wenn sie mal wieder in den Pressekonferenzen des Außenministeriums nach Liu Xiaobos Freilassung und dem Hausarrest seiner Frau gefragt wurden, sind vorbei. Liu Xiaobo hat nun einen Preis, doch noch über 9 Jahre im Gefängnis.